Leben wir nicht in sofistizierten Zeiten, in denen man, wenn man wollte, die ganze Welt mit einer Chipstüte in der Hand und Krümeln im Schoss von der Couch aus sehen könnte? Ja, tun wir! Und in „The Curious Expedition“ tut man genau das und bereist den, wenn auch äusserst verpixelten, Erdenball.
Terra Incognita
Was müssen das für magische Zeiten gewesen sein, damals, als es noch keine Satelliten am Himmel und kein Google Earth gab, mit dem man versuchen konnte, einen Blick ins Badezimmer der etwas älteren, aber hübschen Nachbarin zu erhaschen? Jungfräulich, unentdeckt, unberührt – wie Madonna im Lied „like a virgin“ – lagen die dunklen, weit entfernten Orte der Erde im Nebel der Unwissenheit da. Es war die Zeit der Entdecker, der Seefahrer, der Abenteurer, die Zeit der Expeditionen. Genau in diese Zeit, das 19. Jahrhundert also, schickt einen das Indiegame „The Curious Expedition“.
Und das auf ziemlich unentspannte Weise, denn mit eurem Expeditionsführer und seinem Gefolge steht ihr in einem ständigen Wettstreit mit anderen, vom Computer gesteuerten Entdeckern, um die besten Relikte, die brisantesten Entdeckungen und die einträglichsten Reisen. Da bleibt kaum Zeit für lustiges Dschungelbummeln. Erschwerend kommt hinzu, dass man sich auch einige Sorgen ums Überleben machen sollte. Die Reisen an die weit entfernten, exotischen Orte – die sich bis anhin übrigens in der Erscheinung kaum voneinander unterscheiden – reichen nämlich von lustigen Lagerfeuerabenden mit Eingeborenen, über antike Tempel, die Feuer in den Himmel speien bis hin zu weniger lustigen Begegnungen mit Urzeitreptilien. Und zwar denen, die etwa 200 Jahre später als Stars in den „Jurassic Parc“ Filmen ihren zweiten Frühling erleben sollten.
Über Stock und Stein…
…stolpert man also gemeinsam mit seinem Gefolge durch die exotischen Gefilde. Das Überleben hängt auch von deren Fähigkeiten ab. So ist es wichtig abzuwägen, wen man mitnehmen, wen man in die Gruppe aufnehmen oder während der Reise loswerden möchte. Die Expeditionsmitglieder beurteilen die eigenen Aktionen nämlich ständig: Mein eingeborener Pfadfinder beispielsweise war ziemlich sauer, als ich einen antiken Tempel geplündert habe. Ich hatte es mir mit ihm verscherzt; irgendwann war er fort, weg, spurlos verschwunden, wie diese eine Ex, die ich mal hatte.
Bitter ist das Leben der Abenteurer und Liebenden, bitter auch die Schicksalsschläge, die einen auf den Reisen in diesem Spiel treffen zu können. Zu schwierig und unausgewogen scheint alles noch, von Beginn an muss jeder Spielzug sitzen, sonst endet man früher oder später in der Sackgasse. Diese rigorose Spielmechanik nimmt, zumindest mir ging das so, dem Spiel leider viel vom Forscher- und Entdeckungsdrang, auf den es eigentlich aufbaut.
Pixelmännchen im Dschungel
Die Grafik hält sich im Zeitgeist des momentanen Trends bei Indiespielen und so sehen wir groben, sehr groben, Pixeln zu, wie sie in 2D-Welten oder über Landkarten umherirren. Damit kommt man klar oder auch nicht – ich bin einer jener Menschen, die die Atmosphäre eines Spiels für wesentlich wichtiger als die Grafik halten. Wer die Eleganz hat, die gleiche Meinung wie ich zu vertreten, wird genau wissen, wovon ich rede. Und genau damit kann „The Curious Expedition“ zu Beginn punkten: Atmosphäre.
Irgendwann aber hat man alles schon mal gesehen, alles schon erlebt und die Faszination des Neues geht flöten und das einzige was dann noch flöten bleibt, ist die nette Musik im Hintergrund.