GAIN Magazin

Spiel der Königinnen – Pendragon Kritik (PC)

»Pendragon« verbindet die Sage um König Arthur und seinen gebrochenen Hofstaat mit der Finesse eines Schachspiels.

Strategie- und Taktikspiele, wie wir sie heute kennen, stammen in einer langen Linie an Experimenten, Verwerfungen und Rückbesinnungen vom Schach ab. In Wellen wurde das Schachspiel mit größeren Feldern und neuen Figuren komplexer gemacht, von Regeln gelöst, zu ihnen zurückgeführt und wieder vereinfacht. Bis hin zum preußischen »Kriegsspiel« von Georg von Reisswitz, die, so sagt man heute, die Grundlage für digitale Strategiespiele bilden. Trotz dieser spannenden Entwicklung besinnt sich das arthurianische »Pendragon« von inkle, dem Studio hinter »Heaven’s Vault«, »Sorcery!« und »80 Days«, mehr als nur inhaltlich auf die Geschichte. Denn wie schon der Indie-Hit »Into the Breach« von 2018 bedient es sich beim Schach, und nicht bei einer der unzähligen Varianten analoger oder digitaler Rundenstrategie in den Jahrtausenden danach.

Jeder erfolgreiche, etwa einstündige Run schaltet eine neue Schwierigkeitsstufe und eine neue Figur aus Arthurs ehemaligem Gefolge frei.

Anders als »Into the Breach« verzichtet »Pendragon« jedoch nicht auf die narrativen Stärken seiner Schöpfer und Schöpferinnen. Es setzt an, wo die Sage um König Arthur und Camelot an Glanz verliert: Das Königreich liegt in Trümmern, alle Intrigen sind gesponnen und gewonnen. Königin Gwynevere hat König Arthur mit seinem besten Freund Sir Lancelot betrogen, die Ritter der Tafelrunde sind gespalten. Arthur selbst hat ebenfalls einen Bastard gezeugt, der ihm nun nach dem Leben und den spärlichen Resten seines königlichen Erbes trachtet. Die Konfrontation zwischen Sir Arthur und Sir Mordred beschließt jeden der abgeschlossenen Spieldurchläufe »Pendragons«, egal mit wem ich das Spiel beginne. Doch die Geschichte endet anders, je nachdem wie der entscheidende Zweikampf verläuft, oder ob Arthur nicht doch seinen besten Freund oder seinen Bruder gegen den eigenen Sohn in den Kampf ziehen lässt. Und ein wirklich gutes Ende erwartet keinen der gebrochenen Helden.

Jeder Zug führt Dialoge weiter. Die Figuren umtänzeln sich auch argumentativ wie in einem Duell.

Der Stoff, aus dem gute Sagen gemacht sind

»Pendragon« ist eines der besten, für mich vielleicht das beste Rundentaktikspiel überhaupt. Und das nicht trotz, sondern wegen seiner Erzählung. Jede Bewegung, jede Attacke beendet den Zug und lässt den Feind agieren. Alle Figuren agieren wie die allmächtigen Königinnen des schwarz-weißen Schlachtfelds, müssen jedoch beim Wechsel von gerader zu diagonaler Bewegung einen Zug opfern. Bauernopfer gibt es in »Pendragon« nicht.

Lebenspunkte gibt es ebenfalls keine: Ein Treffer, und eine Figur ist vom Feld genommen. Noch nicht zwingend tot, aber aus der Partie entfernt. Weil diese Kombination jeden Zug entscheidend macht, telegraphieren all Figuren ihre Reaktionen, bevor eine Aktion ausgeführt wird. So kann ich mich nie herausreden, wenn ich eine Figur verliere, weil ihr erfolgreicher Angriff sie in das Schwert des nächsten Feindes springen lässt. Nein, manche Figuren flehen mich sogar an, für den Vorteil ihrer Lehnsherrin oder ihres Bruders verwundet werden zu dürfen, denn in der Welt von »Pendragon« stehen Taktik und blinder Mut in einem fragilen Verhältnis. Spielen Figuren zu lange defensiv, so verlieren sie Moral und fliehen schließlich vom Feld. Moral regeneriert sich nur, wenn sie oder ihre Verbündeten attackieren – selbst, wenn das das Opfer eines Freundes bedeutet.

Diese oft suizidale Mechanik rückt den Fokus während der Kämpfe auf das Gesagte der Figuren. Gerade zu Beginn einer Partie, wenn die Karten neu gemischt sind und das Spielfeld noch kaum begangen wurde, wird in »Pendragon« viel geredet. Mit dem Feind wie mit den eigenen Verbündeten. Jeder Zug löst eine Reaktion der Figur aus, die außerdem von relevanten Charakteren auf dem Brett und der eigenen Umgebung abhängt. Gegner verhalten sich oft ebenso. Das gegenseitige Umtanzen von Königin Gwynevere, die damit hadert, ihre Untertanen zu töten, und einem Pack ausgehungerter Bauern, die jegliches Vertrauen in den Adel verloren haben, macht die Spannung der Entscheidungen in »Pendragon« greifbar. Jede Figur kann diese Entscheidungen treffen, wodurch sich ihre Spezialfähigkeit im Kampf – immer nur eine kann bestehen, sei sie defensiv oder offensiv – verändert und ihr Ausblick auf die letzte Schlacht ebenso.

Der nächste Zwischenstopp der Reise entscheidet, welche Figuren getroffen, rekrutiert oder niedergerungen werden.

Fußnoten der Geschichte

Die wahren Helden von »Pendragons« Geschichte um Mordred und seinen Vater Arthur sind nicht der König und sein außerehelicher Sohn. Camelot ist längst untergegangen, Arthur ein gebrochener alter Mann, dem nur noch der Tod oder eine von vielen Varianten der Einsamkeit bleiben. Arthur gegen Mordred ist lediglich die letzte Fußnote einer Erzählung, die einer der zahlreichen Verbündeten Arthurs auf dem Weg das dunkle England folgt. Eine Königin, die dem Pflichtgefühl zum baldigen Grab ihres Gatten folgt. Das Mittelalter von »Pendragon« könnte weiter weg von einer Romantisierung nicht sein. Ganz ohne Brutalität oder Überhöhung, rein durch die intensive Melancholie aller Spielfiguren entzaubert das Spiel die Legende vom gottgleichen König Arthur und dem heiligen Schwert. Der Ritter, der seinem Lehnsherrn die Hörner des Ehebruchs aufgesetzt hat, auf dem Pfad zur Buße. Brüder, Freunde und Feinde des Königs, die der letzten Schlacht beiwohnen wollen, ohne, dass sie dabei Arthur von seinem Schicksal erlösen könnten. Sie alle sind die Königinnen auf »Pendragons« Schachbrett.

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