Die Gamescom ist riesig, doch nicht alle der dort ausgestellten Spiele passen sich dieser Größenordnung an. Neben hallengroßen Ständen für Blockbuster wie Sekiro: Shadows Die Twice und Cyberpunk 2077 finden sich auf der Messe ebenso unzählige Indie-Entwickler. Die präsentieren ihre Spiele meist auf einem einzelnen Bildschirm, der in der Masse der Menschen und der blinkenden Neonplakate großer Publisher oft unterzugehen droht. Ich habe mich auf der Gamescom 2018 speziell auf die Suche nach diesen Spieleperlen gemacht und präsentiere euch daher nun: Meine Top 5 der Indie-Games auf der diesjährigen Messe.

RoboQuest

RoboQuest

RoboQuest von RyseUp Studios gab es leider nicht auf den Showfloors, sondern nur exklusiv im Pressebereich im französischen Indie Garden zu sehen. Dennoch war das ambitionierte Roguelike eines meiner beiden Indie-Highlights der gesamten Messe. Der einzeln oder in Kooperation mit einem Freund spielbare First Person Shooter ist ästhetisch mehr als nur inspiriert von Borderlands, das schnelle Gameplay vielen verschiedenen ausrüstbaren Waffentypen und Modifikationen möchte ich aber fast schon eher mit Destiny vergleichen.

Obwohl mich Roguelikes normalerweise eher abschrecken, punktet RoboQuest bei mir damit, sich eher an Spelunky als an der typischen Struktur des Permadeaths zu orientieren: Das Spiel ist in mehrere Kapitel geteilt, und schaffe ich es, eines davon zu bezwingen, so kann ich es ab da jederzeit per Abkürzung überspringen. Anders als in Spelunky, wo mir das Nehmen einer Abkürzung jedoch aktiv schadet, stellt mich RoboQuest dabei stärkeren Gegnern mit besserer Austrüstung gegenüber, sodass ich ausreichend gestärkt im nächsten Level ankomme. Eine vielversprechende Geschichte um ein kleines Mädchen, dass den namensgebenden Roboter in die Ödnis hinausschickt, um eine neue Heimat für sich zu finden, rundet RoboQuest ab. Ich warte gespannt auf den Release Ende 2019.

Devils-Hunt

Devil’s Hunt

Habt ihr bei RoboQuest gelesen, dass ich zwei Indie-Highlights auf der Messe hatte? Dann seid ihr hier richtig, denn der Shooter teilt sich das Treppchen mit Devil’s Hunt vom polnischen Studio Layopi Games. Das Character Action Game folgt einer klassischen, an Darksiders erinnernden Engel gegen Dämonen-Geschichte, die auf der polnischen Roman-Trilogie Equilibrium von Pawel Lesniak basiert.

Zwischen den Fronten steht ein einzelner Mensch, der dank eines Pakts mit dem Teufel dämonische Faustkampfkräfte erlangt hat, dann jedoch nach einem Verrat gegen Lucifer in den Krieg zieht. Fortan durchläuft er in dem Indietitel mit mittlerem Budget eine sechs- bis achtstündige Geschichte, die in wortwörtlich durch die Hölle führt. Obwohl das Spiel noch in der Pre Alpha-Phase steckt, fühlt sich das Action-Kampfsystem bereits satt und befriedigend an, und die verfügbaren Schlagkombinationen und Spezialfähigkeiten lassen bereits erahnen, wie gut sich Devil’s Hunts Kampfsystem am Ende spielen könnte.

Dafür, dass Layopi sich mit der kurzen Spielzeit auf das Wesentliche beschränken wollen, gibt es ebenfalls ein dickes Plus von mir. Devil’s Hunt soll Ende 2019 erscheinen. Es wird von 1C Company gepublisht, die den Titel auch auf der Gamescom gezeigt haben. Wer moralische Probleme mit rechtsradikalen Entwicklern hat, der horcht hier auf, denn 1C Company veröffentlichen auch das problematische Echtzeitstrategiespiel Ancestors: Legacy. Den Publisher kann man also durchaus kritisieren, Layopi Games können dafür aber nichts.

Re-Legion

Re-Legion war für mich die Überraschung der Messe, und auch wenn es Devil’s Hunt und RoboQuest nicht vom Thron stößt, so nimmt es doch einen ehrwürdigen dritten Platz in meiner Rangliste ein. Das Echtzeitstrategiespiel von Ice Code Games stellt sich eine Frage, die mir aus der wiederaufkeimenden Begeisterung für Age of Empires II in den letzten Jahren geradezu offensichtlich entgegenspringt: Wie würde ein Strategiespiel funktionieren, dass sich nur um den kultigen Wololo-Mönch aus Emsembles Meisterwerk dreht?

Re-Legion spielt wie so viele Spiele momentan in einer Cyberpunk-Zukunft, in der handwerkliche Arbeit obsolet geworden ist. Aus den hungernden Massen der Arbeitslosigkeit erheben sich bald zweifelhafte Lichtfiguren, die sich zu Propheten unterschiedlichster neuer Religionen aufschwingen und fortan Zivilisten zu ihrem Kult konvertieren. In einem System ähnlich zu dem von Battle Realms – und in einem ähnlichen, markanten Artstyle gehalten – ermöglicht mir Re-Legion anschließend, diese Zivilisten zu prügelnden Adepten, bankraubenden Hackern oder verführerischen Predigern auszubilden, um den Einfluss meines Kultes zu stärken.

Auf Basenbau verzichtet das Spiel komplett: Die für die Konvertierungen gebrauchten Ressourcen und Bestechungsgelder werden in vorplatzierten Gebäuden erzeugt, die anschließend eingenommen und betrieben werden können. Dafür produziert Re-Legion ein gutes Gefühl für das Armeemanagement, wie es eben bereits Age of Empires II geschafft hat. Nur, dass es sich noch einmal ein gutes Stück befriedigender anfühlt, mit einer marodierenden Gruppe aus Schlägern und sich selbst geißelnden Cyborgs ein Bankenviertel zu überfallen, als mit Löwenherz’ Rittern Akkon zu verteidigen. Re-Legion wird wie auch Devil’s Hunt von 1C Company gepublisht, derselbe moralische Zeigefinger wie dort sei also auch hier erhoben.

The Textorcist

Bei einem Besuch auf der Gamescom führt niemals ein Weg an der Indie Arena Booth vorbei. Der Stand der deutschen Indieszene zählt mittlerweile zu den größten auf der ganzen Messe und bietet Indie-Entwicklern aus aller Welt günstig die Möglichkeit, ihr Spiel der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zwischen den unzähligen tollen Titeln mit innovativen und teilweise vollkommen schrägen Ideen ist es absolut unmöglich, das beste Spiel auszusuchen. Da ich jedoch aus Zeitgründen nicht annähernd alle Spiele selbst gespielt habe und diese Liste völlig subjektiv ist, möchte ich euch meinen eigenen Liebling der Indie Arena Booth vorstellen.

The Textorcist vom italienischen Team Morbidware ist ein Bullet Hell-Game in Pixelgrafik, in dem gegen die attackierenden Dämonen nicht zurückgeschossen wird. Stattdessen muss der Protagonist, von Beruf unabhängiger Exorzist, erfolgreich Beschwörungen aus seinem Buch vorlesen, um die in mehrere Kampfphasen aufgeteilten Bosse zu bannen. Für den Spielenden heißt das: Die angezeigten Worte schnell genug abtippen, während man gleichzeitig der Geschosshölle ausweichen muss.

Wird der Exorzist getroffen, so verliert er sein Buch, und erst wenn dieses wieder aufgesammelt ist kann er sein Stoßgebet fortsetzen. The Textorcist verbindet zwei inherent hektische Spielegenres und schafft so eine komplett ungesehene Kombination. Dass sich das Spiel, obwohl es eine Tipp-Mechanik besitzt, auch noch sehr gut mit Gamepad spielen lässt, macht es nur noch besser. In diesem Fall wird das Tippen durch das Eingeben von stetig komplizierter werdenden Kombinationen der Schultertasten ersetzt, was das panische Eintippen von kirchlichen Ausrufen gut auf die reduzierten Eingabemöglichkeiten des Controllers überträgt. The Textorcist soll Anfang 2019 erscheinen.

Indivisible

Indivisible von Lab Zero Games, gepublisht von 505 Games bedarf schon beinahe keiner Vorstellung mehr. Das handgezeichnete Rollenspiel bedient sich Elementen von Metroidvanias, ATB-Kampfsystemen der alten Final Fantasy-Teile und Kombomechaniken von Prügelspielen. Gerade das ist nicht verwunderlich, sind Lab Zero doch die Macher des hervorragenden Skullgirls-Kampfspiel. Zusammen mit Musik von Secret of Mana-Komponisten Hiroki Kikuta und dem markanten, wunderschönen Artstyle des Skullgirl-Animationsteams ist Indivisible nicht nur ein toller Hybrid aus Party-RPG und Kampfspiel, sondern dabei auch noch ein audiovisueller Leckerbissen.

Was lohnt sich noch?

Ich habe noch so viele tolle Indiespiele mehr auf der Gamescom 2018 gesehen, und so unglaublich viele vermutlich nicht. Fell Seal: Arbiter’s Mark (6 Eyes Studio, 1C Company) ist ein spiritueller Nachfolger von Final Fantasy: Tactics, dessen Kampfsystem bis dato kaum wirklich neu aufgegriffen worden ist. Das spanische STAY (Appnormals, Teil der Indie Arena Booth) ist ein Narrative Game im Stil von Lifeline und The Parallax, bei dem ein einsamer Gefangener mit dem Spielenden per Messenger kommuniziert. Das Spiel misst dabei, wie viel Zeit ich mit dem Spiel verbringe und wie viel Zeit ich es nicht öffne. Das wiederum beeinflusst den psychischem Zustand des Protagonisten, sein Verhältnis zu mir und führt schlussendlich zu einem von insgesamt sieben Enden. White Peony (Lena Kaaz & al, Teil des Games Industry Poland-Stands) ist ein meditatives Narrative Game über japanische und chinesische Teekultur, in dem das Genießen unterschiedlicher Tees neue Wege durch einen malerischen Garten eröffnet. My Friend Pedro (DeadToast Entertainment, Devolver Digital) ist eine zweidimensionale Mischung aus Deadpool und Max Payne, dessen absurde sprechende Bananen nur noch davon übertroffen werden, mit zwei Pistolen simultan in verschiedene Richtungen zu zielen und zu schießen. Das ist bei weitem keine erschöpfende Aufzählung, doch wenn euch dieser kleine Text Lust auf mehr gemacht hat, haltet ein Auge auf die hier genannten Aussteller, Entwickler und Publisher!

Pascal liebt charmante Indie-Games und japanische Zeitfresser wie Persona, Yakuza und Monster Hunter. Er ist Feuer und Flamme für Game Studies und forscht daher in München an Sprache und Videospielen.

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