Die Verleihung des Deutschen Computerspielepreis war eine Veranstaltung zum Fremdschämen – und schadet dem Ansehen einer ganzen Industrie, die er eigentlich fördern soll.

»Ich begrüße euch ganz herzlich zum diesjährigen deutschen Computerpreis.«

Schon bei der missglückten Anmoderation von Ina Müller war klar, dass den Gästen im Berliner Admiralspalast ein langer Abend bevorsteht. Diese waren eigentlich für die Verleihung des Deutschen Computerspielepreises gekommen.

Auch Dorothee Bär hatte sich den Abend wohl anders vorgestellt. »Ich hab nie geträumt mal von einer Hanseatin von der Bühne geschmissen zu werden« erwidert eine von der frühen Abmoderation sichtlich überrumpelte Staatsministerin. Die immer wieder scherzhaft zur Schau getragene Konkurrenz zwischen Hamburg, Berlin und München war noch eine der harmloseren Streitereien, die an diesem Abend ausgetragen wurden.

Offen feindseliger war der Ton zwischen den Parteien. Ob Rüdiger Kruse von der CDU oder Lars Klingbeil von der SPD, die politischen Laudatoren nutzen die Bühne für den Wahlkampf. Dabei schien der lähmende interne Machtkampf der deutschen Spieleindustrie mit der Vereinigung der Verbände BIU (Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware) und GAME (Bundesverband der deutschen Games-Branche) seit letztem Jahr beigelegt zu sein.

»An mir liegt’s nicht« kommentierte Andreas Scheuer die Feststellung, dass die Show endgültig unter der Gürtellinie angekommen sei und lachte es weg. Viel Kritik hängt sich an Ina Müllers Moderation auf, deren Tiefpunkt mit einem unmissverständlich rassistischen Witz in Richtung eines der Preisträger erreicht war. Dieser blieb den Abend über unwidersprochen stehen und wäre allein genug Grund für eine öffentliche Stellungnahme von Scheuers veranstaltendem Ministerium.

Die Ausgezeichneten konnten da fast froh sein, dass sie möglichst schnell mit dem übergroßen Scheck von der Bühne gefegt wurden. Einen größeren Einblick in ihre Spiele als hektisch geschnittene 5-Sekunden-Trailer gab es nicht zu sehen, genauso wenig wie angemessenen Raum für echte Dankesreden. 

Ina Mueller © Franziska Krug/Getty Images for Quinke Networks

Der mit Peinlichkeiten gefüllte Abend zeigt die tiefsitzende Identitätskrise der ganzen Veranstaltung auf. Einerseits ist das Ziel des Preises eine Wirtschaftsförderung, finanziert vom Ministerium für digitale Infrastruktur. Und auch die Preisträgerinnen und -träger sprechen oft genau diesen Aspekt der Firmenstabilität an, wenn sie denn mal zu Wort kommen dürfen.

Aber anstatt es dabei zu belassen, bläht man die nüchterne Branchenveranstaltung zu einer selbstbeweihräuchernden Gala auf. Diese gezwungene Mischung führt im Ergebnis zu einem Konflikt. Auch dieses Jahr wurde die Distanz zu dem Medium, das hier gefeiert werden soll, von der Moderatorin wieder als fader Running Gag vor sich herumgetragen.

Jahr auf Jahr werden dafür dieselben müden Klischees rausgekramt. Gamer sind fett und sitzen im Keller, genauso wie die Menschen, die sie programmieren. Erinnert ihr euch noch an Pong? Und weiter zum nächsten Preis! Das Mantra, Videospiele seien in der Mitte der Gesellschaft angekommen, wird so auf genau der Veranstaltung wiederlegt, deren Ziel es sein sollte, Spiele genau dort zu verankern.

Zwischen all der Fremdscham als Außenstehender muss man sich fragen, warum die Branche selbst sich jedes Jahr wieder auf ihrer eigenen Gala so dermaßen demütigt. 50 Millionen Euro steckt die Bundesregierung in die Stärkung der Spieleindustrie, die knapp 30.000 Beschäftigte hat. Auch die Anerkennung von eSport als Sport wird politisch vorangetrieben. Und mit dem game gibt es eine vereinte Lobbygruppe, die sich für genau diese Entwicklungen einsetzt.

Der Deutsche Computerspielepreis spiegelt nicht das Image eines wachsenden Wirtschaftszweigs wider, sondern gibt ihn der Lächerlichkeit preis. Zwischen unwürdigem Geplänkel seiner politischen Träger und überholt geglaubten Klischees befindet sich der Deutsche Computerspielepreis 2019 wieder in einer Krise. Trotz beeindruckender Zahlen fehlt es an Selbstwertgefühl. Das wird auf der einen Seite mit einer großen Gala in Abendgarderobe überkompensiert und führt auf der anderen Seite zur halbironischen Selbstdegradierung.

Um der alljährlichen Wiederholung dieses Musters zu entkommen, muss der Deutsche Computerspielepreis endlich ehrlich dazu stehen, was er ist: Eine Wirtschaftsförderung. Das ist nicht sexy und das muss es auch nicht sein. Denn worum es hier geht, ist Entwicklerinnen und Entwicklern in Deutschland die Bühne zu geben, die sie auf dem internationalen Markt bisher nur selten erklimmen können.

Vielleicht ist die Erkenntnis, die dem Medium auf dem Weg zum Erwachsenwerden fehlt, dass sie auch mal ein bisschen langweilig sein darf.

Gastautor

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